Schiebst Du noch oder trägst Du schon?

10 Gründe weshalb Du dein Kind tragen solltest

In der Tierwelt kennen wir seit Langem den Unterschied zwischen Nesthockern und Nestflüchtern.

Das Überleben der noch unterentwickelten und unselbstständigen Nesthocker ist stark von der Pflege und Fürsorge der Eltern abhängig. Im Gegensatz dazu können die Nestflüchter bereits kurz nach der Geburt sehen, hören, sich fortbewegen und ihren Eltern folgen.

Primatenbabys, die meist der Gruppe der Nestflüchter zugeordnet wurden, können sich allerdings noch nicht allein fortbewegen und sind somit auf ihre Eltern angewiesen. Durch den von Geburt an vorhandenen Moro-Reflex (Klammerreflex) sind sie in der Lage, sich an einem Erwachsenen festzuklammern.

Sie sind also Traglinge. Dieser Begriff wurde 1970 von dem Verhaltensbiologen Bernhard Hassenstein geprägt. Seitdem unterscheidet man zwischen Nestflüchtern, Nesthockern und Traglingen.

Auch unsere Babys verfügen von Geburt an über den Moro-Reflex und nehmen automatisch die Anhock-Spreiz-Haltung ein, die ideal ist, um sich anzukuscheln und getragen zu werden. Außerdem kann man bei ihnen das sogenannte Kontaktweinen beobachten. Dies sind Merkmale, welche unter anderem dazu führten, dass auch Menschenbabys eindeutig der Kategorie „Tragling“ zugeordnet werden konnten. Traglinge werden grundsätzlich in zwei Gruppen eingeteilt.

Zum einen in passive Traglinge, also Tiere, welche sich nicht selbst festklammern können und Hilfe (meist in Form eines Beutels, wie zum Beispiel bei den Kängurus oder Koalas) benötigen. Zum anderen in aktive Traglinge, wie zum Beispiel die Primaten. Menschenbabys werden zu den aktiven Traglingen gerechnet. Da uns allerdings, im Gegensatz zu den Primaten, mittlerweile das Fell fehlt, zumindest den meisten von uns, können sie sich nicht so gut festklammern und brauchen unsere tragende Unterstützung.

Hinzu kommt noch, dass unsere Babys von Fachleuten auch als „physiologische Frühgeburten“ bezeichnet werden, da sie in einem früheren Entwicklungsstadium geboren werden als Babys aller anderen Säugetierarten. Um zum Beispiel den Stand eines Affenbabys zu erreichen, müssten sie viel länger, circa 16 Monate, im Mutterleib bleiben. Diese Vorstellung ist dann doch eher nicht so reizvoll und erstrebenswert für werdende Mütter. Daher ist das Tragen, ganz nah am Körper von Mama oder Papa, ein idealer Platz um weiter “reifen” zu können.

Aber wieso tragen wir unser Kind eigentlich nicht (mehr)?

Im Mittelalter begann man, Kinder in Schubkarren zu transportieren. Dies war ein Zeichen von Wohlstand. Wer es sich leisten konnte, trug sein Kind nicht mehr.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in England die erste Fabrik für Kinderwägen gegründet und somit die Basis für einen sehr lukrativen Wirtschaftszweig. Das „Geschoben-werden“ wurde zur Normalität. Der Kinderwagen wurde vielerorts zum Statussymbol und erreichte teilweise Preise, für die man beinahe einen gebrauchten Kleinwagen bekommen konnte. Für unsere Babys sind Design und Ausstattung jedoch völlig irrelevant. Sie brauchen das Gefühl der Sicherheit, eines ihrer Grundbedürfnisse, und DAS bekommen sie nur durch Körperkontakt.

Wenn wir in der Geschichte des Menschen weiter zurückblicken, sehen wir, dass das Tragen des Nachwuchses für unsere Vorfahren äußerst wichtig war, um das Überleben der Spezies zu sichern. Menschenbabys sind auch heute noch auf das „Überleben“ geprägt. Beim Tragen fühlen sich die Kinder geschützt vor Gefahren und Kälte. Heute noch sind unsere Kinder mit diesen Instinkten ausgestattet und auch die etwas Größeren suchen, sobald sich etwas nicht mehr ganz so vertraut anfühlt, nach Nähe oder wollen auf den Arm. Im Übrigen haben auch wir Erwachsene in schwierigen Situationen sehr gerne einen geliebten Menschen an unserer Seite.

10 Gründe, warum es besser ist, Kinder zu tragen, statt sie zu schieben

1.

Bindung

Der Körperkontakt bietet eine ideale Voraussetzung für die Bindung von Mutter und Kind bzw. Vater und Kind. Durch Tragen und Körperkontakt kommt es zur Ausschüttung des Bindungshormons Oxytocin. Dies stärkt das Vertrauen, verringert Stress, senkt den Blutdruck und fördert soziale Bindungen. Das Baby fühlt sich sicher.


2.

Baby-Hüfte, Baby-Rücken, Muskulatur

Die Anhock-Spreiz-Haltung begünstigt die Ausreifung der Baby-Hüfte. Der leicht gerundete Rücken des Babys in der Tragehilfe entlastet die Bandscheiben. Durch das Ausbalancieren der elterlichen Bewegungen wird die Muskulatur des Babys gestärkt.


3.

Schnelleres Reagieren auf die Bedürfnisse des Kindes

Nähe und Oxytocin helfen den Eltern, die Bedürfnisse ihres Babys immer schneller zu erkennen und besser darauf einzugehen.


4.

Schlafen

Getragene Kinder verarbeiten bereits tagsüber Eindrücke in leichten Schlafphasen. Dadurch muss das Babygehirn nachts nicht mehr so viel „arbeiten“ und die Kinder
schlafen in der Regel besser.


5.

Weinen

Getragene Kinder weinen bis zu 50% weniger. Körperkontakt bedeutet Sicherheit. Sicherheit bedeutet Entspannung. „Getragen-werden“ ist ein Grundbedürfnis. Ein Verwöhnen ist nicht möglich.


6.

Mobilität

Die Eltern haben beide Hände frei und können sich zum Beispiel etwas zum Essen zubereiten. Oft sieht man beim Einkaufen Mütter mit einem schlafenden Baby in der Trage und dem Einkaufsberg im Kinderwagen. Eine wunderbare Lösung. Allerdings bräuchte es hierfür keinen teuren Kinderwagen.


7.

Sinne

Mama oder Papa sehen, riechen, hören und spüren zu können regt die Sinne an und schult sie.


8.

Außenreize und Privatsphäre

Die Babys sind vor zu vielen Außenreizen geschützt. Sie können ihren Kopf ganz einfach abwenden. Oft kann beobachtet werden, wie sich Fremde in den Kinderwagen hinein beugen und dem Baby die Wange tätscheln oder leicht kneifen. Dies findet beim Tragen nicht statt, da die Kinder, eng an der Brust der Eltern, in ihrer Privatsphäre geschützt sind.


9.

Korrektes Tragen kräftigt die Rückenmuskulatur

Durch die Gewichtszunahme des Babys wird die Rückenmuskulatur von Mutter und Vater sanft, Stück für Stück gekräftigt und entspricht einem Muskelaufbautraining mit immer größeren Gewichten.


10.

Tragen ist das Stillen der Väter

Bewegung und Schaukeln beruhigt. Durch den Körperkontakt kommt es zur Oxytocin- Ausschüttung, welche Bindung fördert und beruhigt. Väter werden und fühlen sich kompetenter im Umgang mit ihrem Baby.

Tragen ist Liebe auf Augenhöhe

Tragen stellt nicht nur eine wunderbare Möglichkeit dar, die Entwicklung des Babys zu unterstützen, sondern schafft auch ein stabiles Fundament für die Bindung zwischen Elternteil und Kind.